Nachträgliche Hausautomation ist keine Hexerei

Renovationen eröffnen die Chance, mit der Zeit zu gehen und eine Hausautomation einzubauen. Aber geht das so einfach? Welche technischen Herausforderungen kommen auf die Bauherrschaft zu? Und wo sind die Grenzen des Machbaren? Christian Ziegler aus Hettlingen hat den Sprung in die Zukunft gewagt und sein 30-jähriges Einfamilienhaus automatisiert.

Hettlingen ist ein beschauliches Dorf vor den Toren von Winterthur. Hier wohnt und arbeitet die Familie Ziegler in einem ruhigen Einfamilienhausquartier. Sowohl Christian als auch Manuela Ziegler sind gelernte Elektroinstallateure, sie führen zusammen die All-Com AG. Das Unternehmen ist im Haus der Familie domiziliert und auf Gebäudeautomation spezialisiert. Christian Ziegler erinnert sich: «Als ich mich selbstständig machte, verbrannte man mich fast auf dem Scheiterhaufen. ‹Smarthomes? Das braucht doch kein Mensch!›, hiess es vielerorts. Aber ich hatte das Gefühl, dass Hausautomation normal ist. Sie ist kein Teufelszeug.» Sein Gefühl hat den 49-jährigen Vater zweier Töchter nicht getäuscht: Seit 16 Jahren ist die Firma erfolgreich in diesem Bereich tätig. «Wir automatisieren hauptsächlich Neubauten, denn das gehört heute eigentlich zum Standard», sagt Christian Ziegler. Bei Bestandsbauten sieht es etwas anders aus. «Bei Umbauten und Sanierungen ist Automation selten ein Thema.» Woran das liegt, kann er nur vermuten: «Vielen Liegenschaftsbesitzern scheint nicht bewusst zu sein, dass das machbar ist.»

Nicht schwierig, aber aufwendig

Familie Ziegler hat in ihrem eigenen Haus, das sie vor rund sechs Jahren kaufte, den Beweis für das Gegenteil angetreten und im Lauf der vergangenen zweieinhalb Jahre alles Mögliche automatisiert: die Raumtemperaturregelung, die Beschattung, die Multimedia-Anlagen, Geräte wie den elektrischen Rasenmäher, der im Garten vor dem Sitzplatz selbstständig seine Runden dreht, oder die Beleuchtung. Schwierig sei das nicht umzusetzen gewesen, nur aufwendig. Christian Ziegler erklärt: «Uns standen lediglich Apparatepläne zur Verfügung, also Pläne mit eingezeichneten Steckdosen, Schaltern und Abzweigdosen, aber ohne Leitungsführung. Deshalb mussten wir in jedem Raum zuerst die installierten Geräte wegschrauben, um herauszufinden, was wir brauchen. Dann bestellten wir das Material und verbauten es. Wegen der Kinder konnten wir die Elektroinstallationen nicht offenlassen. Wir haben also alles zweimal gemacht: Zuerst aufgeschraubt und geschaut, was benötigt wird, dann wieder zugeschraubt, bestellt, wieder aufgeschraubt, eingebaut und am Schluss programmiert.»

Vernetzt dank KNX

Zieglers haben für ihre Hausautomation auf KNX – ein Kunstwort, adaptiert von Konnex – und die dazugehörige Automatisierungssoftware ETS gesetzt. Das Bussystem trennt die Gerätesteuerung und die Stromversorgung voneinander auf zwei Netze: das Stromnetz zur Energieversorgung mit Wechselspannung und das Feldbus oder Busleitung genannte Steuerungsnetz mit Gleichspannung. Über diesen Bus sind alle zu steuernden Geräte verbunden und tauschen Daten aus. Die Funktion der Busteilnehmer wird durch spezifische Programmierung bestimmt. Zwischen den Teilnehmern und der Netzspannung werden Aktoren eingebaut, also antriebstechnische Baueinheiten, die ein elektrisches Signal in mechanische Bewegungen umsetzen. Diese Aktoren sind ebenfalls an den KNX-Bus angeschlossen und erhalten ihre Daten in Form von Telegrammen direkt von einem Sensor, zum Beispiel aus einem Bewegungsmelder oder einem Thermostat.

500 Produzenten, ein Standard

Das Bussystem ist standardisiert und seit 30 Jahren auf dem Markt. Deshalb können mit ihm alle möglichen Gewerke verschiedener Hersteller vernetzt werden – sofern sie die entsprechende Zertifizierung durch die KNX Association besitzen. Christian Ziegler sagt: «Weltweit gibt es etwa 500 Produzenten, deren Geräte den KNX-Standard unterstützen.» Ausserdem besteht die Möglichkeit, drahtgebundene mit Funkkomponenten zu verbinden. Das ist vor allem dann ein Vorteil, wenn Leitungsrohre nicht optimal verlegt sind. Im Haus der Familie war das zum Beispiel bei den Jalousien der Fall: Zwar waren sie bereits elektrifiziert, und sie konnten daher einfach auf eine automatisierte Ansteuerung umgerüstet werden, aber die bestehende 230-V- Verrohrung lag ungünstig. Hier schafften dezentrale Funkaktoren Abhilfe.

Ein Haus voller Szenen

Konventionelle Lichtschalter findet man im Haus der Familie Ziegler kaum noch. Die meisten wurden durch KNX-Taster ersetzt, deren LEDs gelb, blau und violett leuchten. Anders als ein Lichtschalter schliesst ein Taster keine Stromkreise, sondern gibt nur Impulse, um einen Prozess zu aktivieren – oder eine Szene, wie Christian Ziegler dies nennt. Er erklärt: «Bei uns bedeutet Gelb Licht, Blau Jalousien und Violett Szenen.» Letztere hat der Elektroinstallateur selbst programmiert. «Auch das ist nicht wirklich schwierig, sondern eher eine Fleissarbeit», sagt er dazu. «Wenn wir eine neue Szene definieren oder eine bestehende verändern möchten, können wir das ganz einfach am Laptop, Tablet oder Handy erledigen.» Aber ein einwöchiger KNX-Grundkurs sei trotzdem keine schlechte Investition. «Der Rest ist Learning by Doing.» Im Essbereich drückt Christian Ziegler auf unterschiedliche Szenen. Die Szene fürs Essen lässt die Lampen über dem Esstisch heller leuchten, die Dinner-Szene dimmt es wieder, die Alltagsszene schaltet zusätzliche Lampen in der Küche ein. All diese Szenen können auch am Smartphone oder Tablet via App aktiviert oder deaktiviert werden.  ❭ Christian Ziegler zückt sein Smartphone und öffnet die entsprechende App. Das Menü zeigt die Geschosse und die einzelnen Zimmer an. Er navigiert zum Spielzimmer seiner Töchter und tippt auf die Spielzimmer-Szene, woraufhin dort Licht und Musik eingeschaltet werden.

Nur noch violette Knöpfe!

Die nächste Station der Führung ist das Entrée, wo Christian Ziegler die Szene «Kurz abwesend» aktiviert. «Diesen Knopf drücken wir, wenn wir zum Beispiel einkaufen gehen. Das Licht wird gelöscht, die Musikanlage wird ausgeschaltet, die Beschattung sowie die Kamera auf dem Sitzplatz werden aktiviert», sagt er. «Und wenn wir es mal vergessen, können wir die Szene auch später am Smartphone anwählen.» Innerhalb des Hauses funktioniert das via WLAN, ausserhalb dank einer VPN-Verbindung zum Server, der sich im Keller befindet. Beim Taster neben der Treppe ins Obergeschoss wählt er «Go up». Die Szene ist so definiert, dass in der Küche nur noch einzelne Lichter brennen, die Lampen bei der Treppe werden heller. Oben im Schlafzimmer angekommen, betätigt er einen Knopf auf dem Taster über dem Bett. Die Szene «Gute Nacht» löscht sämtliche Lichter im Haus und aktiviert die Sonos-Box. Leise Klänge ertönen. «Das ist unsere Einschlafmusik», sagt der Familienvater und resümiert: «So funktionieren wir eigentlich. Für uns gibt es praktisch nur noch die violetten Knöpfe.»

Es gibt auch Tücken

Die Führung zeigt: Eine nachträgliche Hausautomation ist mit wenig bis gar keinen baulichen Massnahmen machbar. Christian Ziegler: «Wir haben baulich gar nichts verändert, nur da und dort ein paar Löcher gebohrt. Ich habe keinen Fäustel in die Hand genommen und Schlitze in die Wände geklopft.» Aber es gebe schon einige Tücken. «Wenn man zum Beispiel nicht weiss, wie die Leitungen verlaufen, muss dies zuerst ausgemittelt werden.» Ausserdem benötige man Zeit und Geld. «Die ursprüngliche Elektroinstallation in unserem Haus hat beim Bau 1991 um die 70 000 Franken gekostet. Das war damals schon relativ viel. Wenn ich die von uns verbauten Komponenten und die aufgewendete Zeit anschaue, dann bin ich locker auf dem Doppelten dieses Betrags», rechnet Christian Ziegler vor. «In einem Neubau», so schätzt er, «würden die Mehrkosten für Elektroinstallation und Automation etwa zehn Prozent der gesamten Bausumme betragen.»

Auf die Grundlagen kommt es an

Einer Automation in Bestandsbauten sind nur wenige Grenzen gesetzt. Christian Ziegler sagt: «Natürlich ist es einfacher, wenn die Grundlagen schon vorhanden sind. Zum Beispiel elektrische Jalousien, die problemlos automatisiert werden können.» Sind solche Grundlagen nicht vorhanden – etwa in einem Mehrfamilienhaus aus den 1970er-Jahren –, gehe es ins Geld. «Man müsste zum Beispiel zuerst die Jalousien mit Strom versorgen. In solchen Bauten würde ich empfehlen, zu warten, bis ohnehin eine Gesamtsanierung ansteht. Denn man klopft dann sowieso Schlitze in die Wand oder senkt die Decke ab und kann im gleichen Zug die Komponenten für die Automation installieren.»

Ein Spass-Gadget

Stellt sich die Frage, ob sich diese nicht unerhebliche Zusatzinvestition lohnt, zum Beispiel bei der Einsparung von Energie. Christian Ziegler verneint. «Dafür müssten zusätzliche Baumassnahmen ergriffen werden wie eine energetische Dachsanierung, was wir allerdings getan haben.» Eine Automation allein habe nur wenig Einfluss auf den Energieverbrauch. «Möglicherweise sparen wir etwas Energie ein, wenn wir für ein paar Tage ins Engadin reisen. Dann senken wir die Raumtemperatur und erhöhen sie erst wieder, wenn wir auf dem Heimweg sind.» Aber Sparen war auch nicht der Grund, weshalb sich die Familie entschied, ihr Haus smart zu machen. «Ich finde, das gehört heutzutage einfach dazu. Ausserdem dient unser Haus sozusagen als Showroom für unsere Kundschaft.» Er ist überzeugt: «Eine Gebäudeautomation kann man nicht am Tisch verkaufen. Das muss die Kundschaft erleben.» Und natürlich bringt ein intelligentes Haus auch mehr Wohnkomfort. Christian Ziegler: «Wenn eins unserer Garagentore offen ist, sehe ich auf dem Smartphone einen roten Balken. Mit einem Wisch kann ich das Tor schliessen, ohne dass ich aufstehen muss. Das ist schon bequem. Ausserdem macht es richtig Spass, in einem automatisierten Haus zu leben. Ich möchte es jedenfalls nicht mehr missen.»